„Gerechtigkeit und Frieden“ – das Krone-Seminar europäisch unterwegs

Krone-Seminar 2023 des Unitas-Verbandes am 12.-15.4.2023 in Brüssel und Herzogenrath/Aachen zum Thema „Gerechtigkeit und Frieden – die aktuelle politische Situation in Deutschland, Europa und der Welt“ anlässlich des 60. Todestages von Bbr. Ministerpräsident a.D. Dr. Robert Schuman (1886-1963)

„Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen.“ (Robert Schuman)

Von BbrBbr. Jan Zimmermann und Christian Poplutz

Auf Berlin und Bonn folgt Brüssel: Nachdem die letzten beiden Krone-Seminare in der Bundesstadt und in der Hauptstadt stattgefunden hatten, hieß es nun auf nach Brüssel! Erstmals in der Geschichte der Unitas fand das Krone-Seminar am Hauptsitz des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission statt. In der Osterwoche machten sich 20 Bundesbrüder und Bundesschwestern auf den Weg zur Hessischen Landesvertretung im Brüsseler Europaviertel, welche uns zwei Tage lang als Tagungsstätte und Ausgangspunkt für eine Reihe von Exkursionen in die Stadt diente. Im Angesicht des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine stellten wir uns den Fragen von Gerechtigkeit, Krieg und Frieden nicht nur in Brüssel, sondern auch an den beiden weiteren Seminartagen in Herzogenrath und Aachen. 

Mit Bedacht setzte die Unitas einen europäischen Akzent im Jahr des 60. Todestages von Bbr. Robert Schuman (1886-1963), Gründervater der Europäischen Union, überzeugter Europäer und engagierter Katholik, dem der Frieden und die Versöhnung unter den Völkern stets besondere Anliegen waren und der als französischer Außenminister mit seinem Schuman-Plan vom 9. Mai 1950 den Grundstein für die spätere EU und damit für Frieden und Versöhnung in Europa gelegt hatte.

1. Teil: Erfolgreicher Start in Brüssel – Experiment gelungen

Das Krone-Seminar begann in Brüssel mit dem Vereinsgebet der Unitas und einem geistlichen Impuls des Geistlichen Beirats des Unitas-Verbandes, Bbr. Pastor Tobias Spittmann. Es war ein großer Gewinn, dass Bbr. Pastor Spittmann sich das ganze Seminar über Zeit genommen hatte, um mit uns Gottesdienste zu feiern und Gespräche zu führen. Anschließend begrüßte Bbr. Christian Poplutz, Vorsitzender des Altherrenbundes, alle Angereisten von nah und fern und gab eine Einführung in das Seminarthema. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde begrüßte uns Herr Leitender Ministerialrat Claus-Peter Appel, Stellvertretender Leiter der Vertretung des Landes Hessen bei der Europäischen Union. Er ging in seinem Vortag „Hessen in Europa“ darauf ein, wie wichtig die Aktivitäten der EU für ein Land wie Hessen sind und warum ein enger und stetiger Austausch hilfreich ist, Politik in Europa mitzugestalten. Als Beispiele nannte er den Finanzplatz Frankfurt, die Frankfurter Börse und den internationalen Frankfurter Flughafen. Wichtig sei es, als Land nicht allein aufzutreten, sondern durch eine Vernetzung mit anderen Regionen in Europa Partner zu haben, die gemeinsam Ziele erarbeiten. Insbesondere die große Heterogenität der Mitgliedstaaten erfordere es, konsensfähige Positionen zu erarbeiten. 

Am Abend folgte der Vortrag „Gesundheit in Europa – Arbeiten bei der Europäischen Kommission aus der Perspektive einer EU-Beamtin“ von Frau Dr. Gudrun Gallhoff, Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission. Die studierte Tiermedizinerin war nach verschiedenen beruflichen Stationen u.a. in einem Fischerei-Labor, einem Ministerium und einem Labor für Umwelt, Hygiene und zur Qualitätssicherung durch einen sog. Concours (Auswahlverfahren) zur EU gekommen. Sie berichtete über den Ablauf von Gesetzgebungsverfahren und nannte fachliche Beispiele aus dem Bereich von Pharmaprodukten über Arzneimittelrückstände in tierischen Produkten und Cloning-Verfahren bis hin zu Lebensmittelbedarfsgegenständen. Sie wies auf die Wichtigkeit hin, durch Abwägungen eine gerechte Balance zwischen den Marktteilnehmern (Erzeuger, Industrie, Verbraucher) zu schaffen und für vergleichbare (Mindest-) Qualitätsstandards zu sorgen. Im Anschluss schwärmten die Teilnehmer in kleinen Gruppen zum Abendessen aus und erkundeten die Brüsseler Innenstadt.

Frieden in Europa?!

Der zweite Tag startete mit einem Impuls zum Thema: „Frieden in Europa – das Lebenswerk von Bbr. Ministerpräsident Dr. Robert Schuman, Gründervater der EU“. Bbr. Christian Poplutz stellte die mit dem Schuman-Plan verbundene Idee vor, die kriegswichtigen Ressourcen (Kohle, Stahl) unter eine gemeinsame Kontrolle zu stellen und durch wirtschaftliche Verbindungen zu einem dauerhaften Frieden beizutragen. Die daraufhin gegründete Montanunion bildete einen der drei Vorläufer der heutigen EU. 

Es folgte ein spannender Vortrag von Herrn Markus Pösentrup, Büroleiter von Michael Gahler MdEP, Außenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion und Ukraine-Experte des Parlaments, über das Thema „Frieden und Sicherheit in Europa“. Pösentrup berichtet über die Aufgaben eines außenpolitischen Sprechers und wies auf zahlreiche Gespräche mit Vertretern der Ukraine hin, welche Maßnahmen umgesetzt werden sollten, um langfristig eine Voraussetzung für den Beitritt zur EU zu schaffen. Dazu gehören beispielsweise Reformen auf den Gebieten Verwaltung, Strukturen und Finanzen ebenso wie Anliegen des Naturschutzes. Seit einem Jahr ist der Krieg in der Ukraine praktisch ständiges Thema im Europäischen Parlament, bis heute wurden bereits 26 Resolutionen dazu verabschiedet. Auch auf die Situation im Nahen Osten und in der Sahelzone ging Pösentrup ein und machte auf den wachsenden Einfluss Chinas, mit dem Projekt „Neue Seidenstraße“, und Russlands (auch mit Söldnern der Wagner-Gruppe) aufmerksam. Die EU müsse den Partnerländern in Afrika und weltweit zeigen, dass sich eine Zusammenarbeit mit Ihr auch in Zukunft lohne, wenn sie weiter erfolgreich sein will, und ermutigte uns, das Vertrauen in die repräsentative Demokratie weiterzutragen.

Mit Herrn Ministerialrat Robert Möhrle, Referatsleiter Europäisches Parlament in der Hessischen Landesvertretung bei der Europäischen Union, erkundeten wir anschließend das Europaviertel und schauten uns die Standorte der Institutionen der Europäischen Union an. Beim Mittagsimbiss an der Place Jourdan (Etterbeek) testeten wir dabei auch die angeblich besten Pommes in Brüssel.

Am späten Nachmittag folgte ein aktuelles und für viele sehr bewegendes Thema „Krieg in der Ukraine: Fragen an die Diplomatie“. Referent war S.E. Bbr. Botschafter Hugues Chantry vom Außenministerium des Königreichs Belgien (Föderaler Öffentlicher Dienst für Auswärtige Angelegenheiten, Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit). Bbr. Chantry, der während des Studiums ein Auslandssemester in Eichstätt absolviert hatte, war als Botschafter bereits in verschiedenen afrikanischen Staaten unterwegs. In seinem Vortrag gab er seine eigenen Überlegungen zur aktuellen politischen Lage in und außerhalb von Europa wieder. Europa müsse seine Interessen in einem globalen Rahmen definieren, auch mit Blick auf die USA und China. Er appellierte an uns, unser politisches Gewissen zu prüfen und uns mit mehreren tiefen Überzeugungen auseinanderzusetzen. Eine dieser Überzeugungen sei, dass die westliche Welt und damit insbesondere die EU ihre Außenpolitik auf Werte gründen muss: die Verteidigung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit sowie den Multilateralismus. Wohlstand allein bekehre niemanden zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Russland und China, erinnerten uns daran, dass es durchaus möglich ist, durch freien Handel und freien Kapital-, Waren- und Dienstleistungsverkehr wohlhabender zu werden und gleichzeitig ein autoritäres System aufrechtzuerhalten. Europa könne auch nicht auf Kosten anderer leben, beispielsweise im Verteidigungsbereich, und müsse massiv in Forschung und Entwicklung investieren, um die Energieversorgung zu sichern. Die Versorgung mit Rohstoffen für moderne Technologien sei ein weiteres Problem. In der Diskussion ging es u.a. um die Rolle von Moral in der Außenpolitik und darum, wie wichtig ein echter Austausch und Geduld in den internationalen Beziehungen sind. Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass der Frieden einen Preis hat und dass ein realistisches Verständnis der Welt notwendig ist. 

Nach dem vollen und lehrreichen Tag hatten wir uns das Abendessen im historischen Restaurant „La Chaloupe d’or“ an der Brüsseler Grand Place zusammen mit den Referenten reichlich verdient.

Historische Reflexionen und aktuelle Herausforderungen: 2. Teil in Herzogenrath & Aachen

Am Freitag morgen hieß es dann schon wieder Koffer packen, der erste Teil in Brüssel war vorüber und die gesamte unitarische Gemeinschaft reiste per Zug oder Fahrgemeinschaft nach Herzogenrath bei Aachen zum zweiten Teil des diesjährigen Krone-Seminars in das Nell-Breuning-Haus, gemeinnützige Bildungs- und Begegnungsstätte der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB), der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) und des Bistums Aachen. 

Im Anschluss an einen Impuls „Gerechtigkeit und Frieden“, den Bbr. Christian Poplutz mit Bezug auf das Zweite Vaticanum hielt, ging es zur RWTH Aachen, wo wir uns mit Herrn Prof. Dr.-Ing. Achim Kampker, Lehrstuhl Production Engineering of E-Mobility Components (PEM), über praktische Lösungen austauschten zum Thema „Schutz von Ressourcen, Klima und Umwelt – was können Ingenieure tun?“ austauschten. Prof. Kampker, der auch Festredner auf dem GV-Kommers 2022 in Darmstadt gewesen war, machte uns klar, dass es nicht das Ziel sein könne, mahnend auf andere zu zeigen und darauf zu warten, dass etwas passiert, sondern dass jeder selbst aktiv werden müsse und eine nachhaltige Welt mitgestalten solle. Daher hat er den Verein „Ingenieure retten die Erde e.V.“ mitbegründet, welcher verschiedene Projekte zur Nachhaltigkeit in den Bereichen Lebensraum, Mobilität, Ökologie Energie und Produktion mitgestaltet. In seinem Vortrag ging er auf einige Beispiele wie den Streetscooter der Deutschen Post, Larven als Ersatz- bzw. Ergänzungsprodukte, Fischkreisläufe oder neue Methoden zur Humuserzeugung ein, die teilweise in einem humanotop, einer Modellstadt der Zukunft, entwickelt werden, in welcher alle benötigten Ressourcen auf dem gleichen geographischen Gebiet produziert werden. Im Vordergrund steht dabei eine praktische Umsetzung der verschiedenen innovativen Ideen. Im Bereich der Mobilität verursachen Nutzfahrzeuge die meisten CO2-Emissionen, so dass hier neue Konzepte, wie Brennstoffzellen oder Bioethanol benötigt werden. Auch bei der Produktion von Lithium-Ionen-Batterien muss auf einen funktionierende Kreislaufwirtschaft geachtet werden. Technisch sei vieles davon machbar, jedoch beklagt Kampker, dass besonders in Deutschland viele Prozesse zu bürokratisch seien und die Politik gute Rahmenbedingungen schaffen müsse, um Innovationen langfristig in Deutschland zu halten. Dazu seien weniger Verbote (Strafen) und eher Bonus-Malus-Regelungen ein Mittel. Auch der Wissenstransfer aus der Forschung in den Deutschen Mittelstand solle stärker unterstützt werden, um Arbeitsplätze und Wohlstand zu sichern. Nach dem Abendessen und einem geistlichen Abendimpuls von Bbr. Pastor Tobias Spittmann (Geistlicher Beirat), besuchte uns Herr Dr. Guido Hitze, Leiter der Landeszentrale für politische Bildung NRW, und sprach zum Thema: „Die deutsch-französischen Katholikenkonferenzen 1928/29 und die Visionen eines neuen Europa“. Hier zeigte er auf, wie sich nach der schrecklichen Erfahrung des (Ersten) Weltkriegs in der Zwischenkriegszeit deutsche und französische Katholiken austauschten, um den Hass und die Gegensätze zu überwinden. Er leuchtete damit eine Phase der ideengeschichtlichen Vorbereitung aus, die später im Schuman-Plan und in der europäischen Zusammenarbeit doch noch wirksam werden sollte. 

Am letzten Tag folgten noch eine kurze Morgenandacht und eine Abschlussdiskussion mit Seminarkritik, bevor wir uns auf den Weg in die Europastadt Aachen machten, die uns der Historiker Dr. Rainer Täubrich in einer Stadtführung näher brachte. Dabei wandelten wir auf den Spuren Karls des Großen vom Rathaus aus, seiner Kaiserpfalz, über den Katschhof zum Dom von Aachen, seiner Pfalzkapelle. Weiter ging es über die heißen Quellen am Eliesenbrunnen, vorbei am römischen Portikus und dem Puppenbrunnen bis in den Krönungssaal des Rathauses, wo wir uns auch voneinander verabschiedeten.

Das Seminar hielt, was es versprochen hatte, so europäisch wie selten zuvor, geprägt von spannenden Vorträgen und lebhaften Diskussionen und dem Erleben von unitarischer Gemeinschaft über Vereins- und Landesgrenzen hinweg. Das erste Mal in Brüssel war ein gelungenes Debüt in der fünfzigjährigen Geschichte des Krone-Seminars. Und natürlich kamen auch das Kennenlernen der europäischen Metropole(n) und die unitarische Amicitia nicht zu kurz, so dass es allen Aktiven nur empfohlen sein kann, einmal während der Aktivenzeit das Krone-Seminar zu besuchen. Die nächste Möglichkeit dazu kommt 2024, dann wieder in Berlin.

Bilder von Bbr. Maximilian Zoll und Bbr. Jan Zimmermann

Infobox: 

Die EU in Brüssel – Die Hauptstadt von 500 Millionen Europäern.

Brüssel ist seit 1997 Sitz der EU-Institutionen. Um die verschiedenen EU-Standorte herum hat sich im Laufe der Jahre ein ganzes Stadtviertel entwickelt: das Europaviertel. Hier erhält der Begriff „Europa“ eine ganz neue Bedeutung. Natürlich befinden sich hier die europäischen Institutionen und ihre 40 000 Angestellten, aber gleichzeitig ist das Viertel ein sprichwörtlicher kultureller Schmelztiegel, der in vielerlei Hinsicht zu überraschen weiß. Das Europaviertel hat viel zu bieten: von idyllischen Grünflächen über urbane Kunstwerke und Kulturveranstaltungen bis hin zu kosmopolitischen Café-Terrassen. 

Im Europaviertel erhalten Sie zudem hautnah spannende Einblicke in die Arbeit der Europäischen Union und ihrer Institutionen: Museen, Führungen, Besucherzentren und Veranstaltungen erklären nicht nur die Geschichte der EU, sondern auch ihre Funktionsweise und ihre Errungenschaften.

Weitere Impressionen: https://www.unitas-ruhrania.org/de/artikel/impressionen-vom-krone-seminar-2023-in-bruessel.html

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