„Wer einen Sklaven und einen Imperator glücklich macht – die Stoiker“

„Verlange nicht, dass die Ereignisse sich so ereignen, wie du willst! Sondern sei zufrieden, dass sie sich so ereignen, wie sie sich ereignen, und Du wirst in innerer Ruhe leben!“

Wie ist meine Einstellung zum Leben? Und vor allem: Wie überstehe ich die Widrigkeiten des Lebens? Dies sind Fragen, die sicherlich jeden Menschen, unabhängig von Herkunft oder Bildungsstand, beschäftigen. Natürlich sind diese Fragen nicht neu, deshalb gab es im Laufe der Geschichte die unterschiedlichsten philosophischen Strömungen, die sich ihrer annahmen. In seinem Vortrag gibt uns Bbr. Hans-Achim Michna eine Einführung in die Welt der Stoiker, die sich bereits im Altertum mit diesen großen Fragen auseinandersetzten. Die stoische Philosophie geht zunächst davon aus, dass der Umgang eines Menschen mit (tragischen) Ereignissen zu 50% von der Genetik, zu 40% von der Einstellung und nur zu 10% von dem Vorgang des Ereignisses selbst abhängt. Da Genetik und Ereignisvorgang laut der Stoiker nicht veränderbar sind, setzen sie ihre Philosophie bei der Einstellung des Menschen an. Die Wissenschaftliche Sitzung soll, laut dem Referenten, dazu dienen, über den Tellerrand des Christentums hinauszublicken, um Impulse aus anderen Quellen zu bekommen. Bbr. Hans-Achim macht uns zudem deutlich, dass die Texte der Stoiker sich dabei auch für den philosophischen Laien sehr gut eignen, da sie als eine Anleitung für das (gesamte) Volk konzipiert und deshalb in recht einfacher Sprache verfasst sind.
Als der hellenistische Philosoph Zenon von Kition ca. 323 v.Chr. seine Lehrtätigkeit aufnahm, stand die (griechische) Welt gerade vor einer Zeitenwende. Nach dem Tod Alexander des Großen zerfällt dessen gigantisches Reich und hinterlässt eine Sammlung an verfeindeten Nachfolgestaaten mit den verschiedensten kulturellen Backgrounds. So wird, zusammen mit dem Tod des Aristoteles um 300 v.Chr., ein allgemeiner Werteverlust in den hellenistischen Staaten beschrieben. Dies ist die Entstehungszeit der Stoiker, die in den nachfolgenden 500 Jahren ihr philosophisches Werk, die Stoa, ausbauen und verfeinern werden. Bbr. Hans-Achim legt seinen Schwerpunkt auf die Lehren der jüngeren Stoa und deren Autoren. So sind sicherlich vielen ehemaligen Lateinschülern die Texte Senecas bekannt, der seine erzwungene Selbsttötung mit stoischer Gelassenheit umsetzte. Wie die stoische Philosophie sich, selbst in den gegensätzlichsten Bevölkerungsschichten, ausbreitete, zeigt unter anderem das Beispiel der beiden Gelehrten Marc Aurel und Epiktet. Während Marc Aurel als Imperator für sein stoisches Werk „Selbstbetrachtung“ als „Philosophenkaiser“ in die Geschichte einging, begründete Epiktet, ein freigelassener Sklave, eine Philosophenschule in der er lehrte. Dass die Stoa für beide, trotz des großen „Klassenunterschiedes“, die Lebensgrundlage bildete, zeigt, wie universell die Stoa einsetzbar ist. Hier bemerkt der Referent, dass die Stoiker allgemein keine guten Beziehungen zum Christentum hatten. Jedoch kann man bei den Briefen des Paulus stoische Elemente finden, da natürlich trotzdem eine gewisse wechselseitige Einflussnahme stattfand.
Doch was sind die eigentlichen Bestandteile der stoischen Philosophie?
Zunächst erklärt Bbr. Hans-Achim, dass die Stoa in die drei Bereich Physik / Kosmologie, Logik und Ethik aufgeteilt ist. Um den zeitlichen Rahmen des Vortrags nicht zu sprengen, wird er sich auf die Kernaspekte der Ethik beschränken.
Wie viele philosophische Schulen, setzt die Stoa bei der Lehre der Triebe (Affekte) an. Triebe, wie z.B. Schmerz, Furcht, Begierde und Lust, sollen durch die Vernunft kontrolliert und dadurch überwunden werden. Dinge, die außerhalb unserer Macht liegen, sollen als unveränderbar erkannt und akzeptiert werden. Laut den Stoikern ist der Mensch so nur ein Teil des Weltenlaufs. Um möglichst affektfrei handeln zu können, ist es für die Stoiker außerdem wichtig, Meinungen und Vorurteile außer Acht zu lassen, um nicht verwirrt zu werden. So macht den Menschen beispielsweise die Vorstellung des Todes Angst, nicht der Tod selbst, da dieser bei Eintreffen nicht mehr erlebt wird. Als zwar fiktiven, aber populären Stoiker nennt Bbr. Hans-Achim Mr. Spock aus Star Trek, der stets logisch und besonnen auf Ereignisse reagiert und sich schließlich sogar für das Wohl der Gemeinschaft opfert. Besonders in der jüngeren Stoa erhalten Engagement in Staat, Ehe und Familie eine Berechtigung und sind Teil eines erwünschten, tugendhaften Lebens. Der Stoa kann man zudem eine allgemeine Menschenliebe zusprechen, da der Trieb zur Gemeinschaft alle Menschen einschließen soll. So war z.B. eine Besserstellung von Sklaven durchaus denkbar. Als „Gegenspieler“ der stoischen Philosophie wird der Epikureismus gesehen. Während bei der Stoa, wie bereits beschrieben, Pflichtbewusstsein und Leidenschaftslosigkeit im Mittelpunkt stehen, ist laut Epikur das Streben nach Lust das Mittel um die Unerschütterlichkeit (Ataraxia) zu erreichen. Während Epikuräer zudem Atheisten waren, variierten die religiösen Vorstellungen der Stoiker zwar stark, aber es wurde an göttliche Kräfte geglaubt.
Erst mit dem Aufstieg des Christentums verlor die stoische Philosophie stark an Relevanz. So half die, vom Christentum verbreitete, Vorstellung des „Ewigen Lebens“ den Menschen über das düstere und beschwerliche Mittelalter hinweg. Ebenso hielt die Idee der „Würde des Menschen“, mit der Ausbreitung des Christentums, Einzug in die Gedankenwelt der Menschen. Erst in der Neuzeit erfuhr die Stoa durch den aufgeklärten Absolutismus Friedrichs des Großen, der sich als „der erste Diener des Staats“ beschrieb, wieder eine Renaissance. Auch Goethe war, laut eigener Aussage, Anhänger der stoischen Philosophie.
Bbr. Hans-Achim Michna beendet seinen Vortrag mit der Feststellung, dass sich im Laufe der Zeit stoische Charakterzüge wie Mäßigkeit und Gerechtigkeit durchaus mit den christlichen Tugenden wie Glaube, Liebe und Hoffnung vermischten und unsere heutige christliche Lebensgrundlage bildeten.

FUZ-Artikel 6. Wissenschaftliche Sitzung

Von: Philipp Rachor
Referent: Bbr. Hans-Achim Michna
Datum: 03.07.2018
Titel: „Wer einen Sklaven und einen Imperator glücklich macht – die Stoiker“

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