Das Martinsviertel – Hier wohnt die Palatia

Festvortrag von Bbr. Matthias Brunner anlässlich des 97. Stiftungsfestes am 17. Juni 2017

Hohes Präsidium, sehr geehrte Festcorona,

das Haus der Unitas Palatia zu Darmstadt steht in einem Viertel, das als Ansammlung einzelner Häuser Ende des 16. Jahrhunderts außerhalb der Stadtmauer entstand, stetig wuchs, seine Blüte in der Gründerzeit hatte, nach dem 2. Weltkrieg beinahe eine großflächige Umstrukturierung erfahren hätte und sich heute als ein lebendiges, dank dem Engagement der Bewohnerinnen und Bewohner, auch als lebens- und wohnenswertes Viertel zeigt.
Das heutige Martinsviertel wurde ab 1580 auf Betreiben von Landgraf Georg I. von Hessen durch den Bau von Wirtschaftsgebäuden zur Hofhaltung (u.a. Meierey = Milchhof und Zehntscheune) gegründet.
Erweitert wurde das Viertel durch den Bau von Wohngebäuden in der Alexander- und heutigen Magdalenenstraße (damals Große Arheilger Straße) für seine Hofbeamten um das Jahr 1590.

Nördlich und östlich dieser als „Alte Vorstadt“ bezeichneten Bebauung entwickelte sich ab dem 18. Jahrhundert eine kleinbäuerlich geprägte Siedlung. Landwirte aus der Altstadt, Handwerker und altgediente Gardisten (Gardistenstraße) siedelten sich in lockerer, jedoch kleinparzelliger Bebauung an. Reichtum war nicht zu erwarten, doch durchaus ein auskömmliches Leben.
Bis 1850 hatte sich das Martinsviertel zu einer geschlossenen, aber noch wenig verdichteten Siedlung entwickelt, die sich von der Schlossgartenstraße bei der Elisabethkirche bis zur Dieburger Straße zog.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte mit der beginnenden Industrialisierung ein rasantes Bevölkerungswachstum ein, das schließlich zu einem spekulativ angeheizten (Gründerzeit-) Bauboom im Viertel führte und das abrupt im Jahr 1907 wegen einer Konjunkturkrise endete. Zwischen 1880 und 1910 hatte sich die Zahl der Haushalte von 1.630 um mehr als das Dreifache auf 5.200 erhöht.
Der 1. Weltkrieg und die Zeit zwischen den beiden Kriegen brachten keine Veränderungen im Viertel, erst die als „Brandnacht“ im Gedächtnis der Darmstädter Bevölkerung in Erinnerung gebliebene Bombardierung in der Nacht vom 11. auf den 12. September 1944 veränderte das Martinsviertel.
Die großflächige Zerstörung Darmstadts führte nach 1945 bei den Stadtverantwortlichen zur Planung einer autogerechten Stadt, die auch für das Martinsviertel eine radikale Änderung zur Folge gehabt hätte.

Die zerstörten Wohngebäude, aber auch die noch intakten Gründerzeitbauten im Bereich des Riegerplatzes und der Kranichsteiner Straße wären eingeebnet worden, um Platz zu machen für eine umfassende Sanierung. Es sollte ein gegliederter und aufgelockerter Stadtteil entstehen, als Gegenentwurf zu den alten, schmalen „dörflichen“ Gassen im Bereich Gardisten- sowie Arheilgerstraße und der Beseitigung der „baulichen Sünden“ durch die Gründerzeit.
Geplant waren der Neubau von modernen, achtgeschossigen, von Grünflächen umgegebenen Häusern in aufgelockerter Bauweise, der Bau einer vierspurigen Straße, geschwungen von der Ecke Heinheimer- / Alexanderstraße hin zum Hahne-Schorsch-Platz sowie der Erweiterung der Universität Richtung Heinheimer Straße.
Der Bebauungsplan fand bei den betroffenen Bürgern des Martinsviertels wenig Gefallen, eher muss man von großer Ablehnung sprechen, was von den Verantwortlichen der Stadt Darmstadt lange Zeit ignoriert wurde. Das Weitertreiben der Planungen auf städtischer Seite führte zur Gründung einer Bürgerinitiative, die eine Sanierung anstatt des Neubaus forderte. 1972 beschloss die Stadtverordnetenversammlung, das gesamte Martinsviertel als Sanierungsgebiet festzulegen.
Ziele waren nun der Erhalt der baulichen und sozialen Struktur des Martinsviertels, Instandhaltung und Modernisierung von Wohngebäuden und Schluss mit der Absicht, Teile des Viertels für die Erweiterung der Technischen Hochschule zur Verfügung zu stellen. Ziele waren ferner der Erhalt der gründerzeitlichen Bauten sowie die Schaffung von Kinderspielplätzen und weiteren Grün- und Freiflächen.


Abschließend kann man feststellen: Die Sanierung des Martinsviertels ist eine Erfolgsgeschichte. Eine große Zahl von Kneipen aller Art, Freizeit- und Begegnungsstätten von Vereinen mit ihren Einrichtungen und die gute Ausstattung mit Infrastruktur für Kinder, Jugendliche und alte Menschen sorgen für einen lebendigen Stadtteil, der trotz vieler Veränderungen einen guten Teil seines alten Flairs erhalten hat.
Sehr geehrte Festcorona, hohes Präsidium, abschließend bleibt mir nur noch zu sagen: Das Martinsviertel – Hier wohnt die Palatia!

Vivat, floreat, crescat, Unitas Palatia ad multos annos.
Vielen Dank für das Zuhören.

Von Bbr. Matthias Brunner

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