„Über dem Umgang mit Menschen“ – zur Festrede am Vereinsfest zu Ehren der Hl. Maria Immaculata

Von: Bbr. Matthias Fischer

Anlässlich des Vereinsfestes zu Ehren der Heiligen Maria Immaculata im Wintersemester 2013/14 wurde mir die Ehre zuteil, die Festrede im Rahmen der Morgensitzung halten zu dürfen. Unter der Überschrift „Über den Umgang mit Menschen“ befasste sich die Rede mit dem Leben und Wirken des wohlbekannten Freiherr Adolph von Knigge.

Der Name „Knigge“ ist uns heute vor allem als Verfasser des im deutschsprachigen Raum wichtigsten Benimm-Ratgebers geläufig. Diese Vorstellung basiert auf den zahlreichen Titeln zum menschlichen Miteinander und Benehmen, die unter dem Titel „Knigge“ erschienen sind. Weiterhin wird die Assoziation Knigges mit Benimm durch den deutschen Knigge-Rat gestützt, der u.a. von Moritz Freiherr von Knigge, einem Nachfahren des berühmten Knigge, gegründet wurde. Der deutsche Knigge-Rat versteht sich selbst als Expertenkreis, der sich „visionär, praktisch, ideell und kontrovers mit neuen Trends, Ideen und Fragestellungen zu zeitgemäßen Umgangsformen auseinandersetzt.“ Er bietet Seminare an, fördert die Verbreitung des Themas in den Medien und gibt den großen Knigge heraus.

Ein näherer Blick auf die Person und das Wirken Knigges bringt jedoch zum Vorschein, dass es ihm weniger um Benimm-Regeln, Grußreihenfolgen und das richtige Besteck ging, sondern vielmehr um den tatsächlichen Umgang der Menschen untereinander und mit sich selbst.

Knigge wurde im Oktober 1752 als Spross einer verarmten niedersächsischen Adelsfamilie geboren. Im Alter von 14 Jahren wurde er zum Vollwaisen und zur Erziehung durch seinen Vormund nach Hannover geschickt. Von 1769 bis 1772 studierte er Jura und Kameralistik in Göttingen.

Seine erste Anstellung fand Knigge bei Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel, wo er als  Hofjunker und Assessor der Kriegs- und Domänenkammer zu Kassel tätig war. Allerdings konnte er sich in dieser Stellung nicht lange halten, da er sich „durch amtliche und gesellige Misshelligkeiten unmöglich machte“. So fand er im Jahre 1776 eine Anstellung als Kammerherr bei  Herzog Carl August von Sachsen-Weimar. Aber auch in dieser Position konnte sich Knigge nicht lange halten, obwohl er „als gern gesehener Kurzweilmacher viel am dortigen Hofe verkehrte“. Knigge selbst fühlte sich als Freigeist der Aufklärung verpflichtet. Daher zog er 1780 nach Frankfurt am Main, wo er sich vor allem im schriftstellerischen Bereich, aber auch bei verschiedenen Logen und Geheimbünden engagierte. Aus Geldnot war er gezwungen, das Amt eines Oberhauptmanns der großbritannisch-hannoverschen Regierung anzunehmen und so lebte er bis zu seinem Tode im Jahr 1790 in Bremen.

Die wichtigste literarische Hinterlassenschaft Knigges ist sein 1788 erschienenes Hauptwerk „Über den Umgang mit Menschen“[1]. Mit dem Werk wollte Knigge eine Aufklärungsschrift über den Umgang mit verschiedenen Arten von Menschen vorlegen. Die Arten der Menschen unterteilte er nach dem Stand, dem Beruf und auch den Charaktereigenschaften der Menschen. Die vom Knigge gegeben Regeln „[…] zielen dahin, dem Umgang leicht, angenehm zu machen und das gesellige Leben zu erleichtern.“ [Nr. 60; S. 76-77][2]. Benimmtechnische Spitzfindigkeiten und langatmige Ausführungen über das richtige Besteck finden in diesem Buch keinen Platz. Vielmehr geht es Knigge um „[…] Vorschriften zu einem glücklichen, ruhigen und nützlichen Leben in der Welt und unter Menschen […]“ [Nr. 2; S. 246-255]. Aufgrund der gegebenen Pflicht zur Kürze sollen an dieser Stelle nicht die im Rahmen des Festvortrages aufgegriffenen neun für Unitarier interessanten Thesen Knigges aufgenommen werden, sondern statt dessen versucht werden, die wichtigsten Inhalte des Werkes in Originalzitaten zusammen zu fassen.

Für unser Auftreten anderen gegenüber rät uns Knigge: „Zeige, so viel du kannst, eine immer gleiche, heitere Stirne! Nichts ist reizender und liebenswürdiger, als eine gewisse, frohe, muntre Gemütsart, die aus der Quelle eines schuldlosen, nicht von heftigen Leidenschaften in Tumult gesetzten Herzens hervorströmt.“ [Nr. 15; S. 43-44]. Diese frohe Gemütsart soll mit der angemessenen Nachsicht gegenüber unseren Nächsten einhergehen: „Enthülle nie auf unedle Art die Schwächen Deiner Nebenmenschen, um Dich zu erheben! Ziehe nicht ihre Fehler und Verirrungen an das Tageslicht, um auf ihre Unkosten zu schimmern!“ [Nr. 4; S. 38]. Diese Rücksicht auf die anderen hebt Knigge an anderer Stelle weiter hervor: „Wir sollen daher so billig sein, von niemand zu fordern, dass er sich nach unseren Sitten richte, sondern jedermann seinen Gang gehen lassen; denn da jedes Menschen Glückseligkeit in seinen [eigenen] Begriffen von Glückseligkeit beruht, so ist es grausam, irgendeinen zwingen zu wollen, wider seinen Willen glücklich zu sein.“ [Nr. 60; S. 76-77]. Diese Stelle belegt außerdem, dass es Knigge nicht um starre Benimmregeln geht, was auch durch seinen Rat zu Bescheidenheit deutlich wird: „Überhaupt rate ich, um glücklich zu leben und andre glücklich zu machen, in dieser Welt so wenig als möglich zu erwarten und zu fordern.“ [Nr. 47; S. 64-65]; generell spielt die Tugend der Bescheidenheit eine große Rolle in Knigges Ausführungen: „Die beste Aufklärung des Verstandes ist die, welche uns lehrt, mit unsrer Lage zufrieden und in unsere Verhältnissen brauchbar, nützlich und zweckmäßig tätig zu sein. Alles übrige ist Torheit und führt zum Verderben.“ [Nr. 8; S. 284]. So soll man seine Taten nicht tun, um Dankbarkeit zu ernten: „Auf Erfolg und Dankbarkeit sollte man übrigens in dieser Welt nie rechnen, sondern das Gute bloß aus Liebe zum Guten tun. Nicht alle Mühe aber ist verloren, die verloren zu sein scheint […]“ [Nr. 5; S. 213-215], vielmehr soll man ehrlich sein und das tun, was man selbst aus Herzen für das richtige hält: „Handle selbstständig! Verleugne nicht Deine Grundsätze, Deinen Stand, Deine Geburt, Deine Erziehung; so werden Hohe und Niedre Dir ihre Achtung nicht versagen können.“ [Nr. 4; S. 262-263] und „[…] wer, wankelmütig in Grundsätzen und Meinungen, einen Charakter hat, der sich wie Wachs von jedem in jede Form drücken läßt, der mag vielleicht ein guter Gesellschafter, aber nie wird er ein beständiger, treuer Freund sein.“ [Nr. 4; S. 195]. Zum Abschluss noch ein Merksatz, den man auch jeder Bundesschwester und jedem Bundesbruder ins Stammbuch schreiben kann: „Was aber noch heiliger als jene Vorschrift ist – habe immer ein gutes Gewissen! Bei keinem Deiner Schritte müsse Dir Dein Herz über Absicht und Mittel Vorwürfe machen dürfen. Gehe nie schiefe Wege und baue dann sicher auf gute Folgen, auf Gottes Beistand und auf Menschenhilfe in der Not.“ [Nr. 62; S. 78].

Ich hoffe, bei den Lesern dieses kleinen Beitrags ein wenig Interesse an Knigge und seinem Werk „Über den Umgang mit Menschen“ geweckt zu haben und kann einer jeden Bundesschwester und einem jedem Bundesbruder die Lektüre nur sehr ans Herz legen.



[1]   In Neuauflage z.B.: Knigge, Adolph von (2009): Über den Umgang mit Menschen. Hamburg: Nikol Verlag.

[2]   Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die in Fußnote 1 genannte Ausgabe.

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