Ist die AfD für Christen wählbar?

Wissenschaftliche Sitzung von Hochschulpfarrer Stephan Weißbäcker

Vorwort
In der Parteienlandschaft auf der gesamten Welt, vor allem aber in Europa, ist eine massive Verschiebung im Gange. Eine Partei, die als eine dieser neuen Kräfte groß wurde, ist die AfD. Sie ist ein Grund für viele hitzige Diskussionen und Debatten in ganz Deutschland, unter anderem auch in Fernsehsendungen und am privaten Esstisch. Aber was hat diese Partei groß gemacht und wie muss man mit ihr und ähnlichen Parteien in ganz Europa umgehen? Müssen sie in der politischen Welt integriert werden oder sollten sie weiterhin, wie bis jetzt in Deutschland der Fall, politisch ausgegrenzt und ignoriert werden?
Es gibt keine direkte Wahlempfehlung durch die Kirche und das sollte auch immer so bleiben, so auch im Falle dieses Vortrags.
Einführung
Die AfD ist vor allem eine Partei der simplen Botschaften und kann somit von jedermann verstanden werden. Sie sieht sich selbst als einzige Alternative zum bis jetzt herrschenden Establishment der regierenden Parteien. Anfänglich als Ost-Phänomen abgetan, ist die Partei mittlerweile in ganz Deutschland angekommen und überrascht immer wieder durch ihre Wahlerfolge. Einer der Gründe für die Aufmerksamkeit, die die Partei erhält, ist die rasante Entstehung der Partei sowie ihr rasches Erstarken. Dies kann durch die von den Regierungsparteien geführte Politik der Tabuisierung der Partei, welches die Aussage der „Alternative“ zum Establishment nur noch weiter unterstrichen hat, erklärt werden. So erhielt die Partei weiteren Auftrieb. Die Frage, die allerdings bleibt, ist, ob die Partei eine wahre Alternative oder doch nur Zuflucht für verzweifelte Protestwähler ist?
Eine Partei formiert sich – 3 entscheidende Phasen
1. Phase – Kritik an der europäischen Schuldenpolitik
Durch die Auswirkungen der Weltfinanzkrise kam es auch bei europäischen Staaten zu erheblichen Problemen, allen voran Italien, Spanien und dem weitaus bekanntesten Fall Griechenland. Diese Länder, die sich bis heute nur schwer von den finanziellen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise erholen, gerieten in massive finanzielle Schwierigkeiten. Die in der folgenden Zeit vor allem von der Bundeskanzlerin geführte „Rettet den Euro“ – Politik stieß bei einigen Deutschen auf Unverständnis, da diese der Meinung waren, dass diese Länder eigenständig für ihre Finanzprobleme einstehen sollten. Keine der regierenden Parteien war in der Lage auf diesen durchaus großen Anteil in der Gesellschaft zuzugehen und Alternativen aufzuzeigen oder überzeugend zu argumentieren.
2. Phase – Kritik an der Frage zur Lösung des Flüchtlingsstroms
Im Zuge des Flüchtlingsstromes im Jahre 2014 kam es immer wieder, auch bis heute, zu erschreckenden Bildern in den Medien, die deutlich machten, wie überfordert Bund, Länder und Städte mit den ankommenden Flüchtlingen waren. Teils wurden die Probleme direkt durch Flüchtlinge verursacht, aber auch durch die Unfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, alle Fälle angemessen zu bearbeiten. Dies führte auch hier wieder zu Zweifeln in der Bevölkerung, ob der von der Regierung eingeschlagene Kurs der „Willkommenskultur“ sowie die ständige Beschwichtigung durch die Bundeskanzlerin mit dem berühmten Satz „Wir schaffen das!“ wirklich die Lösung für das Problem darstellt. Bei einigen kam sogar die Frage auf, ob wir als Land überhaupt in der Lage dazu sind, diese „Flüchtlingskrise“ zu lösen. Auch in diesem Fall stellten die Regierungsparteien ihren politischen Kurs als alternativlos dar. Dadurch kamen sich viele Bürger ignoriert und übergangen vor, da viele ihrer Sorgen als „rechts“ und fremdenfeindlich abgetan beziehungsweise ignoriert wurden, ohne sich konstruktiv mit ihnen auseinander zu setzen. Aufgrund dieser Situation begannen immer mehr Wähler, sich mit der AfD zu identifizieren, da diese auch heftige Kritik an der Flüchtlingspolitik geäußert hatte und außerdem auch von Beginn an von der Regierung ausgegrenzt und ignoriert wurde.
3. Phase – Politik der direkten Bürgerbeteiligung
Im Laufe dieser beiden großen Krisen, welche uns in den letzten zehn Jahren belastet haben und mit deren Auswirkungen wir immer noch zu kämpfen haben, kam mehrfach die Forderung aus der Bevölkerung und auch von Oppositionsparteien nach Bürgerentscheiden zu kritischen Themen. Die AfD möchte dem Beispiel der Schweiz folgend mehr Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungsfindungen ermöglichen, da sie der Meinung ist, dass viele Bürger nicht mit der Politik der Bundesregierung zufrieden sind und ihnen das Recht zusteht, einige Entscheidungen selbst zu treffen.
Rechts? Rechtspopulistisch? Rechtsradikal? Rechtsextrem?
Die Partei
Die AfD generiert nicht nur Wähler aus dem „rechten“ Spektrum der Bevölkerung, sie findet bei Anhängern aller Parteien Zuspruch und hat es sogar geschafft, einige Nicht-Wähler von ihrer Sache zu überzeugen.

Die Grafik zeigt die Zusammensetzung der AfD-Wählerschaft bei der Bundestagswahl im Jahr 2013. Zumindest von diesem Aspekt aus betrachtet, ist die AfD anscheinend nicht dem rechten Spektrum zuzuordnen.
Das Rechte Problem der AfD
Allerdings hatte die AfD schon mehrfach Probleme mit eindeutig rechten Gesinnungen mancher ihrer Wahlkandidaten. Beispiele hierfür lassen sich in ganz Deutschland finden, in denen einzelne Abgeordnete der Partei sich selbst durch fragwürdige Aussagen diskreditiert haben.
Kriterien zur Wählbarkeit aus katholischer Sicht
1. Personalität
Wahrung der Rechte einer Person als Mensch im Sinne das Abbild Gottes. Dies bedeutet, dass die Würde des Menschen um jeden Preis bewahrt werden muss. Der Personalitätsschutz steht im Gegensatz zum Ansatz „Der Zweck heiligt die Mittel“.
2. Solidarität
Diese Art des Schutzes darf aber nicht auf nationale Grenzen beschränkt sein. Wir gehören alle zu einen großen Familie Gottes. Jeder muss sich der Verpflichtung seines nächsten bewusst sein.
3. Subsidiarität
Die übergeordnete Einheit, in diesem Fall die regierende Partei, soll nur dann eingreifen, wenn die untergeordnete Einheit, also das Volk, gewisse Dinge nicht selbst kann oder wenn sie um Hilfe gebeten wird.
4. Nachhaltigkeit
Bei allen Entscheidungen, die getroffen werden, müssen die kommenden Generationen im Hinterkopf behalten werden. Es darf kein Raubbau an der Schöpfung begangen werden, um sie für die kommenden Generationen zu bewahren.
Offene Fragen
Steht die AfD auf dem Boden des Grundgesetzes?
Grundsätzlich enthält das Parteiprogramm keine Punkte, welche gegen das Grundgesetz verstoßen. Durch die Heterogenität innerhalb der Partei sind allerdings einige Kandidaten und auch Wahlkreise mit äußerster Vorsicht zu betrachten.
Lässt die Globalisierung Wege neben der EU zu?
Kann ein einzelnes Land mit den Supermächten überhaupt konstruktiv in Verhandlung treten oder wird die gemeinsame Stärke dafür benötigt, um nicht im internationalen Wettbewerb unterzugehen?
Alternative zu aktueller Flüchtlingspolitik
Wie könnte die so häufig kritisierte Flüchtlingspolitik verändert werden, welche Ansätze sollen umgesetzt werden?
• Obergrenze: Begrenzung der Flüchtlinge, die in Deutschland aufgenommen werden
• Hilfe vor Ort: Flüchtlingslager in den betroffenen Ländern
• Bekämpfung der Fluchtursachen: Militärische Intervention, Hilfsgelder, …
Warum werden die Fragen nach der gemeinsamen Selbstverständlichkeit verdrängt?
Außer dem häufig genannten „Wir schaffen das!“ kommen von den anderen Parteien häufig keine Antworten. Außerdem werden Meinungen, die vom Kurs der Regierung abweichen, häufig als rechts abgetan, auch wenn es zum Teil berechtigte Sorgen der Bürger sind. Das alles spielt der AfD die Wähler in die Hände, da diese sich von den anderen Parteien nicht mehr repräsentiert fühlen. Wenn die anderen Parteien offener für abweichende Meinungen und vor allem auch offen für die Kritik aus dem Volk wären, wäre die AfD nicht so groß geworden, wie sie es jetzt ist. Auch wenn die Partei auf Bundesebene keine Gefahr für das Grundgesetz oder die katholischen Prinzipien darstellt, kann sie keine einheitliche Alternative für den Wähler bieten, da sie in manchen Orts- und Landesverbänden auch gegen diese Prinzipien verstößt und äußerst zweifelhafte Kandidaten aufstellt.

von Bbr. Mathieu Dannenmayer

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