Geschichte und Perspektive Israels

Wissenschaftliche Sitzung von Dr. Johannes Gerster

Der Vortrag „Geschichte und Perspektive Israels“ fand am 03. März 2017 in der KHG statt. Der Referent Dr. Johannes Gerster war als Mitglied der CDU 22 Jahre im Bundestag tätig. Nach und während der politischen Tätigkeit in der CDU engagierte er sich in der deutsch-israelischen Zusammenarbeit. Er lebte 22 Jahre in Jerusalem, arbeitete dort für die Konrad-Adenauer-Stiftung und gilt somit als Nahostspezialist.

Einleitend bezeichnete er Israel als ein sehr junges und dynamisches Land, was sich an einem Durchschnittsalter von 28 Jahren festmachen lässt. Zum Vergleich liegt das Durchschnittsalter in Deutschland bei 46 Jahren. Desweiteren nannte er Israel, trotz seiner geographischen Lage, ein eher europäisches als ein arabisches Land. Das lässt sich beispielsweise durch die demokratische Regierungsform Israels erklären. Außerdem ist Israel der einzige jüdische Staat der Welt. Bekannt ist Israel auch durch seine Stärke in Wirtschaft und Wissenschaft, was an einem hohen Bruttosozialprodukt und international anerkannten Hochschulabschlüssen zu erkennen ist. Dem entgegen stehen aber auch einige Konflikte. Dies sind auf der einen Seite innere Konflikte, wie beispielsweise die Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Ausprägungen der jüdischen Religion, der Streit zwischen der mehrheitlich jüdischen und minderheitlich muslimischen Bevölkerung (Palästinenser) oder die unterschiedlichen Ansichten von Neu- und Altbürgern. Auf der anderen Seite stehen äußere Konflikte, welche vor allem in der geographischen Lage Israels begründet sind. So liegt Israel als Nachbar Syriens mitten in einem aktuellen Konfliktgebiet. Bei der Gründung Israels 1948/49 stand die Frage nach der angestrebten Regierungsform im Raum. Es boten sich damals zwei Möglichkeiten. Die eine bestand darin, einen jüdischen Staat auf der Grundlage des Talmuds zu gründen. Die andere bestand darin, einen parlamentarischen, demokratischen Staat ins Leben zu rufen. Aus dem Diskurs ergab sich schließlich eine Mischform der Regierung, welche demokratisch geführt und gewählt wird, in der allerdings einige Politikbereiche (z.B. das Familienrecht) maßgeblich durch die Gesetze des Talmuds bestimmt sind. Folgen sind beispielsweise der streng arbeitsfreie Sabbat, an welchem keine Anstrengungen unternommen werden dürfen und an welchem auch die Nutzung von Elektrizität verboten ist, oder der jüdische Kalender, welcher aufgrund von nur 354 Tagen dafür sorgt, dass es vorkommt, dass ein 13. Monat notwendig wird. Nun aber zurück zu dem für die Entwicklung Israels wichtigsten Konflikt, nämlich dem zwischen der jüdischen und muslimischen, palästinensischen Bevölkerung. Geschichtlich bedingt ist dieser Konflikt hoch brisant. Dies zeigt sich zum Beispiel in der Position der strengen, muslimischen Bevölkerung, welche den Staat Israel als solchen nicht anerkennt und das Ziel hat, diesen zu zerstören. Eine ähnliche Position findet sich auch in vielen Teilen der arabischen Welt. Weiter befeuert wird dieser Konflikt durch die aktuelle weltpolitische Lage. Besonders die Säkularisierung der westlichen Welt und die Fundamentalisierung der muslimischen Welt stehen sich besonders in Israel komplementär gegenüber. Außerdem führt der weltpolitische Wandel zu einem weiteren großen Problem in diesem inneren Konflikt. Durch die Schwächung der weltpolitischen Position Amerikas und Russlands scheinen die Mittler in dem jüdisch-palästinensischen Konflikt zu verschwinden. All diese Faktoren führen dazu, dass der Friedensprozess in Israel sich momentan im Stillstand befindet.
Zum Schluss des Vortrages beantwortete Dr. Johannes Gerster die Frage „Wann wird es in Israel Frieden geben und was muss dafür geschehen?“ Er nannte fünf Aspekte. Zunächst müsse die arabische Welt den Staat Israel anerkennen. Weiterhin müsse der Streit um neue Grenzen geführt werden. Die Europäische Union müsse sich in dieser Auseinandersetzung neutral verhalten. Andere dritte Kräfte sollten sich aus dem Konflikt heraushalten. Und schließlich müssten beide Parteien in Israel bereit für Kompromisse sein, welche dann geschlossen werden müssen.

von Bbr. Thomas Bellendorf

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