Wissenschaftliche Sitzung von Prof. Dr. Thorsten Thiel (Politik- und
Sozialwissenschaftler an der Universität Erfurt)
Wie üblich besuchten wir in unserem Semester einen Vortrag aus dem Programm der KHG, in diesem Fall ein Externen beim Offenen Haus. Thiel eröffnete seinen Vortrag mit der Einordnung, dass wir in Zeiten leben, in denen künstliche Intelligenz so weit ist, dass sich mit ihrer Hilfe durchaus Einfluss auf die Demokratie genommen war, Stichwort ChatGPT. Die kritischen Fragen hierbei: Was sind dabei Chancen, was sind aber auch Risiken für die Demokratie? Und wie lässt sich die Entwicklung gesellschaftlich gestalten?
Zum Einstieg in das Thema führte Thiel an, dass KI mittlerweile in der Lage ist, Bilder mit falschem Inhalt so zu generieren, dass man sie nicht mehr von einer Fotographie unterscheiden kann. Doch wie kann sie das? Dazu erklärte Thiel zunächst Folgendes: KI ist eine Computertechnologie, die der Lösung komplexer Probleme dient. Sie besteht aus neuronalen Netzwerken, die über Machine Learning trainiert werden, um aus einer Eingabe möglichst genau die Ausgabe herzuleiten, die gewünscht wird. Dazu wird der KI eine möglichst große Datenmenge zur Verfügung gestellt, wodurch diese Mustererkennung trainiert, um anschließend aus bekannten Mustern in neuen Eingaben die bestmöglichen Antworten zu generieren. Diese neuartige Technologie begann sich seit 2010 immer mehr durchzusetzen, da man aufgrund von Fortschritten in anderen Bereichen nun deutlich mehr Rechenkapazität zur Verfügung hatte.
Anschließend zeigte Thiel einige Grundprobleme von KI auf. Erstens, Bias. Dies bezeichnet die Voreingenommenheit der KI aufgrund der Daten, mit denen sie trainiert wurde. Zweitens, Opacity, also Undurchsichtigkeit aufgrund der Tatsache, dass man nicht genau nachvollziehen kann, wie die Antwort generiert wurde, die man erhält. Drittens, Exploitation. Damit ist die Ausbeutung gegenüber Ressourcen und auch Menschen gemeint, die daher rührt, dass man große Datenzentren zum Betreiben von KI braucht, sowie viel Arbeitskraft, um KI zu entwickeln.
Im nächsten Abschnitt seines Vortrages beschäftigte Thiel sich mit der Wechselwirkung von KI und der demokratischen Öffentlichkeit. Er nannte das Thema Deep Fakes im US-Wahlkampf, also dass mithilfe KI-generierter Bilder versucht wurde, die andere Wahlpartei zu diskreditieren. Audio und Video sind bekanntlich sehr unmittelbar wirkende Technologien. Aufgrund der immer stärker steigenden Qualität und Quantität dieser Deep-Fakes, die Fehl- bzw. Desinformationen verbreiten, wird es laut Thiel immer schwieriger, Audio und Video zu Vertrauen. Autorität und Legitimität gehen verloren. Hier seinen Thiel zufolge Technologien wie Watermarking nicht so wichtig, stattdessen müssten Vertrauenswürdige Informationskanäle wie kritische Medien und Journalisten geschützt und unterstützt werden. Als nächstes Thema behandelte Thiel KI und demokratisches Regieren. Er nannte hier das Stichwort smarter Staat, also die Nutzung von Adaption und Simulation sowie teilautomatisierte Reaktionen auf politische Anforderungen. Möglicherweise könne so ein besserer und auch schnellerer Prozess gewährleistet werden. Praktische Probleme liegen in der
Umsetzung. Viele Probleme seien dahergekommen, dass KI in sozialstaatlichen Bereichen oder im Grenzschutz eingesetzt wird, weil man dort sparen will, nicht aber z.B. in Steuersachen. Hier müsse man laut Thiel staatliche Expertise und Personal fördern. Außerdem solle man algorithmische Verfahren politisieren, also Verantwortung für Fehlschläge im Zusammenhang mit der Nutzung von KI auf staatlicher Ebene übernehmen.
Der letzte Abschnitt von Thiels Vortrag ging um KI und politische Partizipation. Hier könne KI genutzt werden, um politische Teilhabe zu intensivieren, indem demokratische Innovationen ausgeschöpft werden und neue Möglichkeitsräume geschaffen werden. Thiels Beispiel war hier ein Chatbot auf KI-Basis, der Antworten genauso geben soll, wie Olaf Scholz es wahrscheinlich tun würde. Hier war Thiels Frage, ob dies oder etwas in der Art politische Kommunikation verbessern könnte oder ob das eher nicht wünschenswert wäre. Es sei allerdings unklar, ob es überhaupt Nachfrage nach einer Veränderung gibt. Es könnte nämlich durch mehr Möglichkeiten zu einer Überforderung kommen und das politische System könnte überflutet werden. Thiel führt an, dass es bereits ausreichend Möglichkeiten zur politischen Teilhabe gebe und dass die Schaffung neuer Möglichkeiten zur Teilhabe in der Vergangenheit eben diese nicht wirklich verbessert habe.
Abschließend zog Thiel den Vergleich zwischen KI als Neuerung und Social Media als Neuerung. Auch Social Media habe gewisse Herausforderungen für die Demokratie mit sich gebracht, von denen man dachte, dass sie eine Gefahr für die Demokratie darstellen würden. Doch diese waren nicht fatal, und ähnlich werde es sich auch mit der KI in der Demokratie unserer modernen Welt verhalten. Thiel schloss seinen Vortrag mit den Worten:
„Keine Panik!“
Am 04.11.2024 von Bbr. T.R.