Das Ringen um die digitale Lehre

Das Ringen um die digitale Lehre – eine Darstellung und ein Kommentar

Im Rahmen meiner hochschulpolitischen Aktivitäten bin ich gegen Ende des letzten Jahres immer wieder mit dem Thema Urheberrecht konfrontiert worden. Unterhalb der Oberfläche des Lehrbetriebs der Universitäten unseres Landes ist ein Streit über die digitale Lehre entstanden von dem viele Studierende bisher nur wenig mitbekommen haben. Da dieser Streit wenig nach außen kommuniziert wird, habe ich mich dazu entschlossen den Verlauf einmal für die Unitas aufzubereiten.

In der Lehre und der Forschung der Universitäten haben die digitalen Medien immer stärker Eingang gefunden und sie sind mittlerweile nicht mehr aus dem Alltag eines Studierenden wegzudenken. Wo früher Dokumente und Quellen mühsam an Fotokopierstationen in den Bibliotheken dieses Landes vervielfältigt werden mussten, ist es nun mit ein paar Klicks möglich das gewünschte Dokument von den E-Learning Plattformen und digitalen Bibliotheken zu erhalten. So angenehm dies für einen Studierenden ist, so rechtlich unscharf war dieser Vorgang bis vor ein paar Jahren geregelt. Um den neuen Umständen Rechnung zu tragen wurde das Urheberrecht erweitert. Entstanden ist §52 ff des Urheberrechtsgesetzes.

Im Kern dieses Gesetzes steht die Wahrung des Urheberrechts der Autoren und Verlage, deren Texte im Lehr- und Forschungsbetrieb durch E-Learning zugänglich gemacht werden. Die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) stellt diese Ansprüche sicher. Möchte eine Universität also mithilfe von E-Learning ihre Lehre verbessern, so ist es notwendig einen Vertrag über die Nutzung und Abrechnung der entstehenden Ansprüche gegenüber der VG Wort abzuschließen. Ein entsprechender Rahmenvertrag wurde von der Kultusministerkonferenz (KMK) und der VG Wort erarbeitet. Dieser Rahmenvertrag bildet den Ausgangspunkt eines seit Jahren dauernden Rechtsstreits.

Um möglichst genau die Interessen der einzelnen Autoren zu wahren, schlug die VG Wort im Rahmenvertrag einen Abrechnungsmodus vor, der kaum zu realisieren war. Hierbei sollte jedes Dokument eines jeden Autoren, pro genutzter Seite und pro Studierendem der an einer Veranstaltung teilnimmt, abgerechnet werden. Dies klingt umständlich und wie sich bei einem Pilotprojekt in Osnabrück herausstellte, ist es das auch. Da der Verwaltungsaufwand überproportional ansteigt, bevorzugten die Hochschulen eine pauschale Abrechnung. In diesem Punkt konnten sich KMK und VG Wort jedoch nicht einigen und die Angelegenheit ging vor Gericht. Nachdem in erster Instanz das Oberlandesgericht München der VG Wort Recht zusprach und die Einzelabrechnung für sinnvoll erklärte, wurde im Revisionsverfahren dieses Urteil am 20. März 2013 vom Bundesgerichtshof für ungültig erklärt und das Verfahren zur Neuausarbeitung der entsprechenden Passagen des Rahmenvertrags an das OLG München zurückverwiesen.

Das Thema ruhte einige Zeit und wurde dann Ende 2016 wieder aktuell, als der Neuabschluss des Rahmenvertrags notwendig wurde, da die Regelung durch §52 ff um weitere 2 Jahre verlängert wurde. Auf eine Pauschalabrechnung konnte sich bisher nicht verständigt werden und so stand weiterhin die Einzelabrechnung im vorliegenden Vertrag. Die Hochschulen wurden von der VG Wort aufgefordert dem Rahmenvertrag bis zum 31.12.2016 beizutreten, um weiterhin in der Lage zu sein, die online Lernangebote aufrecht zu erhalten. Dieser Aufforderung folgten die meisten Universitäten jedoch nicht und so drohte der Crash. Zu dieser Zeit wurden die meisten Studierenden dann auch das erste mal von den Universitäten über die Situation informiert. Recht spät, wenn man bedenkt, dass der Rechtsstreit schon seit mehreren Jahren läuft. Doch warum haben die Hochschulen nicht früher reagiert und sich in diesem Verfahren zu Wort gemeldet? So wie ich es erlebt habe, haben viele Leitungen von Hochschulen die Aufforderungen seitens der VG Wort nicht ernst genommen und das Problem vor sich hergeschoben. Das hohe Ideal der Freiheit von Lehre und Forschung wurde als Schild vor sich hergetragen und die Ansprüche, die durchaus berechtigt sind, wurden immer wieder ignoriert. Nun drängt die Zeit und die Unis fühlen sich ungerecht behandelt, obwohl die Untätigkeit seitens der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) auch eine Mitschuld an der prekären Situation trägt.

Mittlerweile wurde ein Gremium aus Mitgliedern der HRK, KMK und der VG Wort gegründet um eine Einigung herbeizuführen. Die Ergebnisse sollen am 31. September vorliegen. Solange gilt für unsere Universitäten eine Galgenfrist. Leidtragende in diesem Prozess sind aktuell die Studierenden aller Fakultäten, da sie diejenigen wären, die ein Rückfall in ein Zeitalter vor der Digitalisierung ereilen würde.

Soviel zur Situation der Lehre an deutschen Hochschulen. Der ganzen Problematik liegt meines Erachtens jedoch eine Abwägung von Werten zugrunde. Natürlich muss das Urheberrecht geschützt werden, aber dabei darf die Qualität der Lehre und Forschung nicht leiden, um Deutschlands wichtigstes Gut, die Bildung, zu schützen. Diesen Konflikt in Einklang zu bringen wird einer nicht unerheblichen finanziellen Mehraufwendung bedürfen. Sollte es nicht zu einer Pauschalabrechnung kommen, so müssen viele neue Verwaltungsstellen geschaffen werden. Die Gefahr besteht, dass diese Kosten auf die Studenten umgelegt werden. Seitens der Landes-ASTEN-Konferenzen wurde deshalb der Anspruch an die Politik formuliert, mehr Geld für unser universitäres Bildungswesen zur Verfügung zu stellen. Eine andere Möglichkeit zur Lösung des Problems bietet die Einführung einer Wissenschaftsschranke im Urheberrecht, so gefordert vom Koalitionsvertrag und dem Bundesrat. Unter Wissenschaftsschranke versteht man die Beschränkung der Rechte des Urhebers zugunsten einzelner Gruppen. So würde die Lehre und Forschung vor den Ansprüchen der Urheber geschützt und die Verhandlungsbasis zwischen VG Wort und der KMK würde sich grundlegend ändern. Allerdings ist nur die Politik in der Lage eine solche Regelung auf den Weg zu bringen. Mittlerweile liegt ein neuer Gesetzesentwurf vor der die umständlichen Regelungen der §52 – §54 abschaffen soll. Aber anstelle einer einzelnen allgemeinen Regelung wurde das Thema in mehrere Teile fragmentiert. Hierzu zählen nun auch die Themen Data Mining, Audioaufnahmen sowie die explizite Unterscheidung von Forschung und Lehre. Dies wurde damit begründet, dass die Komplexität der zu klärenden Rechtslage nicht in einer pauschalen Regelung Rechnung getragen werden könne. Ob dieser Entwurf eine entscheidende Verbesserung bringt bleibt abzuwarten. Seit Januar diesen Jahres ist der Entwurf einzusehen und ich habe ihn mir mal näher angeschaut. Meine Erkenntnis: Es handelt sich um eine Verbesserung der Situation, aber da eine Wissenschaftsschranke kategorisch ausgeschlossen wird bleibt die erhoffte simple Lösung weiterhin aus.

Ich werde den Prozess weiter mitverfolgen und hoffe, dass es bald zu einer praktikablen Lösung kommt um uns allen das Anstehen an den Kopiergeräten zu ersparen. Obwohl dies vielleicht die soziale Interaktion unterhalb der Studierenden stärken könnte. Immerhin ein positiver Aspekt an der Situation.

Ein Kommentar von Marcel Neu

Quellen:

http://www.vgwort.de/einnahmen-tarife/wiedergabe-im-internet-intranet/hochschulen.html

https://www.kmk.org/de/aktuelles/artikelansicht/intranetnutzung-neuer-rahmenvertrag-fuer-die-verwendung-von-schriftwerken-fuer-lehre-und-forschung-an-hochschulen.html

https://www.kmk.org/aktuelles/artikelansicht/vorlaeufige-vereinbarung-zur-verwendung-von-schriftwerken-fuer-lehre-und-forschung-an-hochschulen.html

https://idw-online.de/de/news664833

http://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_UrhWissG.pdf;jsessionid=92BCFE39710B38CDB2CEA2E27E770EA7.1_cid334?__blob=publicationFile&v=1

Dieser Beitrag wurde unter FUZ-Artikel veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.